Die Zeitschrift „Kamarád“
Die heute einzige bekannte Ausgabe der Zeitschrift „Kamarád“ mit dem sprechenden Untertitel „Zeitschrift für die Interessen der von Wissenschaft und Kulturstaat anerkannten Freundschaft“ (Časopis věnovaný zájmům přátelství uznaným vědou a kulturními státy) aus dem Jahr 1932 ist ein besonderes Dokument vom Leben der sexuellen Minderheit in der Zwischenkriegszeit in Brno (Brünn). Die Zeitschrift wurde von dem slowakischen Maler Štefan L. Kostelníček (1900–1949) gegründet, der damals in Brno lebte, und die Gründung einer unabhängigen örtlichen Homosexuellenvereinigung sollte mit der Herausgabe der Zeitschrift Hand in Hand gehen. Beide Projekte wurden jedoch aufgrund der plötzlichen Inhaftierung Kostelníčeks bald eingestellt und später nicht wieder aufgenommen.
Die Zeitschrift „Kamarád“ erschien aus Anlass des geplanten fünften Kongresses der Weltliga für Sexualreform (WLSR) in Brno erstmals am 28. Mai 1932. Nur wenige Tage zuvor war Magnus Hirschfeld für einen Vortrag nach Brno gekommen und hatte bei der Gelegenheit die Redaktion von „Kamarád“ besucht. Štefan L. Kostelníček verstand seine Zeitschrift nicht als Konkurrenz zu „Hlas“ auf, die im Jahr zuvor erstmals erschienen war, sondern forderte seine Leserschaft auf, sowohl „Kamarád“ als auch „Hlas“ als „zwei gleichgesinnte Zeitschriften“ zu abonnieren.
„Kamarád“ enthielt unter anderem einen Werbetext für den ersten lesbischen Roman in tschechischer Sprache, Ludmila Skokanovás alias Lída Merlínovás „Vyhnanci lásky“ (Die Verbannten der Liebe), und sie brachte Beiträge auf Tschechisch und Deutsch. Neben einem gewissen „Dr. J. Schwarz“, der offenbar deutschsprachig war, schrieb auch Imrich Matyáš aus Bratislava für „Kamarád“. Die Zeitschrift musste ihr Erscheinen einstellen, als Štefan L. Kostelníček am 22. Juli 1932 nach einer Denunziation durch seinen Lebensgefährten verhaftet und wegen Homosexualität und Unterschlagung zu einem Jahr Kerkerhaft ohne Bewährung verurteilt wurde.
Weiterführende Literatur und Quellen:
- Seidl, Jan (2012): Homosexualita v praxi a diskurzu trestního práva, medicíny a občanské společnosti od vydání trestního zákona z roku 1852 do přijetí trestního zákona z roku 1961 (dizertační práce). Praha: Univerzita Karlova v Praze, Fakulta humanitních studií, S. 201–205.
Internet:
- Die Ausgabe von „Kamarád“ kann „hier“ online eingesehen werden.