Julie Sedláčková (1908–1978)
Abbildung: Cover des Romans „Das dritte Geschlecht“ (1937) von Gill Sedláčková, Quelle: aleph.nkp.cz
In „Hlas“ verwendete Pseudonyme, Kürzel oder Namensformen: Gill Sedláčková.
Über Julie Sedláčková ist heute vergleichsweise wenig bekannt. Sie wurde am 24. März 1908 als Tochter des Arztes Viktor Sedláček (1864–1941) in Prag geboren, der 1936 zum Vorsitzenden der tschechoslowakischen Liga für Sexualreform (Československá Liga pro sexuální reformu) gewählt wurde. 1929 heirate Julie Sedláčková den Bandleader Jan Budil, doch ließ sie sich nach weniger als drei Jahren von ihm scheiden und nahm ihren alten Familiennamen wieder an.
In den 1930er Jahren schrieb Julie Sedláčková den homoerotischen Gegenwartsroman „Třetí pohlaví“ (Das dritte Geschlecht), der 1937 erschien und bei dem sie sich als Autorin der Namensform Gill Sedláčková bediente. In „Třetí pohlaví“ geht es um die Beziehung zweier Frauen, die zusammenwohnen: die heterosexuelle Modedesignerin Lída und die lesbische Werbefachfrau Sabine. Beide versuchen auf ihre Art, das Glück zu finden. Während Lída einen Arzt kennenlernt und sich regelmäßig mit ihm trifft, unterhält Sabina Affären mit mehreren der Modelle Lídas. Beide Frauen konsumieren regelmäßig Kokain.
Was diesen Roman von der üblichen homoerotischen Literaturproduktion seiner Zeit unterscheidet, ist die Art und Weise, wie Sabina ihre Sexualität erlebt und mit ihr umgeht. Sie betrachtet ihr gleichgeschlechtliches Verlangen nicht als tragisches Schicksal, es ist für sie vielmehr etwas Natürliches und Selbstverständliches. Sabinas Homosexualität ist nicht das zentrale Thema des Romans, sondern eine schlichte Tatsache, die in ihm beschrieben wird.
Julie alias Gill Sedláčková schrieb auch das Drehbuch zu dem Film „Polibek ve sněhu“ (Kuss im Schnee, 1935) und war an diesem Film als Produktionsleiterin beteiligt. Sie arbeitete ferner als Regieassistentin bei „Žena, která ví, co chce“ (Die Frau, die weiß, was sie will, 1934) und trat als Statistin in den beiden 1937 uraufgeführten Filmen „Důvod k rozvodu“ (Der Grund für die Scheidung) und „Srdce na kolejích“ (Herz auf Schienen) auf. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitete sie für die staatliche Tschechoslowakische Filmanstalt. Julie Sedláčková starb am 24. April 1978 in Prag.
Veröffentlichungen in „Hlas“:
als Gill Sedláčková
- Homosexualita a manželství | Homosexualität und Ehe, in: Hlas sexuální menšiny – zájmy uznávané vědou a kulturními státy [dt. Untertitel: Organ zum Schutz der sexuellen Minderheiten], 1931 (7–8), S. 17–18.
- Starý kamarád | Ein alter Freund, in: Hlas sexuální menšiny – zájmy uznávané vědou a kulturními státy [dt. Untertitel: Organ zum Schutz der sexuellen Minderheiten], 1931 (13), S. 3–4.
- Rodiče a homosexualita | Eltern und Homosexualität, in: Hlas list sexuální menšiny, 1932 (1), S. 3–4.
- Začátek | Anfang, in: Hlas list sexuální menšiny, 1932 (6), S. 92–93.
- Dialog, in: Nový hlas – list pro sexuální reformu, 1933 (5), S. 73.
- Vřesoviště | Die Heide, in: Nový hlas – list pro sexuální reformu, 1933 (9), S. 125–126.
Weiterführende Literatur und Quellen:
- Seidl, Jan u.a. (2014): Queer Prague. A Guide to the LGBT History of the Czech Capital 1380–2000. Brno: Černé pole, S. 51.
- Zdráhalová, Judita (2022): Život a kriminalizace českých neheterosexuálních žen v 1. polovině 20. století (Bakalářská práce). Praha: Univerzita Karlova, katolická teologická fakulta, Katedra církevních dějin a literární historie, S. 45.
Internet:
- Eintrag zu Julie Sedláčková auf Wikipedia (cs).
- Julie Sedláčkovás Roman „Třetí pohlaví“ (Das dritte Geschlecht) ist von der tschechischen Nationalbibliothek (Národní knihovna ČR) digitalisiert worden, kann aber nur mit einem entsprechenden Benutzerausweis eingesehen werden.