Treffpunkte in Prag

Für die Kontaktanbahnung unter Homosexuellen dürften im Prag der 1930er Jahre die einschlägigen Bars, Cafés und Restaurants nur eine nachrangige Bedeutung eingenommen haben. Eine wichtigere Rolle spielten für sie die zahlreichen Parks, Badehäuser und öffentlichen Toiletten der Stadt. Wenn man sich jedoch mit den kommerziellen Orten der Geselligkeit für Prager Homosexuelle der damaligen Zeit auseinandersetzen möchte, führt kein Weg am „Batex“ vorbei. Das Lokal galt auch in der damaligen tschechoslowakischen Mehrheitsgesellschaft geradezu als ein Symbol für homosexuelles Leben. Das „Batex“ war ein „repräsentativer“ Veranstaltungsort, an dem Partys im großen Format stattfanden.

Das „Batex“ befand sich in der Revolučni 3, in einem Gebäude, das Ende der 1920er Jahre von der Wirtschaftsvereinigung der tschechoslowakischen Baumwollspinnereien erbaut worden war, und wurde zunächst von einem Herrn Brabec betrieben, der auch Pächter des First-Class-Hotels „Regina“ (Dlouhá 47) war. Beim „Batex“ handelte es sich offenbar um einen Komplex von zwei getrennt betriebenen Gaststätten, von denen die eine zu Tanzvergnügungen allgemeiner Art diente, während die andere – der sogenannte „Gentlemen’s Club“ – einem homosexuellen Klientel vorbehalten war. Nach tendenziösen zeitgenössischen Quellen gab es im „Batex“ „fast alles, was Gestalten aus der Unterwelt anziehen konnte. Im oberen Stockwerk war ein Tanzsaal, wo einerseits die hingingen, die leicht an Geld kommen konnten, und andererseits die, die ihnen dabei helfen wollten. Im Kellergeschoss trafen sich die sexuell Abartigen zu ihren Vergnügungen, während in den geschlossenen Clubräumen Karten gespielt wurde. Das Batex hatte eine angesehene Kundschaft. Es kam nicht selten vor, dass beim Glücksspiel mehrere zehntausend Kronen im Topf waren.“

Die Wände des Ballsaals im oberen Stockwerk trugen üppige, halb-erotische Dekorationen, während es sich bei einem der Clubräume um einen „kleinen Saal mit einem langen, mit grünem Tuch bedeckten Tisch“ handelte, „ganz so, als wäre er für die Vorstandsitzung einer Firma vorbereitet worden.“

Erster Direktor von „Batex“ war Stanislav Bartoš (1893–?), der jedoch im August 1932 von dem Gastwirt Antonín Steimar (1890–1944) abgelöst wurde. Bartoš inserierte in „Hlas“ und „Nový hlas“ ebenfalls für das von ihm betriebene Hotel „Regina“. In „Hlas“ wurden ferner die beiden Restaurants „U Huňků“ in der „Ulica 28. Října“, das ebenfalls von Bartoš betrieben wurde, und „Náš domov“ in der Lužická in Královské Vinohrady beworben. Über das „U Huňků“ ist bekannt, dass es zeitweise polizeilich überwacht wurde, da „homosexuelle Personen in großer Zahl das Restaurant aufsuchten, um dort unerfahrene junge Männer anzulocken.“ Dabei soll Bartoš wiederholt pornographische Erzeugnisse in Umlauf gebracht haben. Bei einer Razzia im Frühjahr 1934 im „U Huňků“ wurden vier Tänzer in Damenkostümen festgenommen, und der Fall wurde in der tschechoslowakischen Presse ausführlich kommentiert.

Des Weiteren können genannt werden: das Restaurant „U Zlatého bažanta“ (Zum goldenen Fasan) in Královské Vinohrady (Polská 52), die „Mährische Weinbar im Louvre-Palast“ (Národní třída 20), das Hotel-Restaurant „Sichrov“ (Horní Počernice), das Tanzlokal „Modrý sál“ und das Restaurant „Granada“ im Untergeschoss des Avion-Palastes am Wenzelsplatz, das Hotel „Viktoria“ in Dejvice (Belcrediho třída), das „City dancing“ (ehemals „Bonboniére bar“ in der Templová 1), die Weinbar „Chateau“ (in der Bartolomějská), den Herrenclub „Mon Ami“ (Týnská 12) sowie die Restaurants „U Divadla“ (Ibsenova 1), „U Sokola“ (Budečská 40) und „Stoletá“ (Zderaz 10). Sie alle haben zu dem einen oder anderen Zeitpunkt in „Hlas“ und „Nový hlas“ inseriert.

Mit Ausnahme des Restaurants „U Zlatého bažanta“, das unter dem abgekürzten Namen „U Bažanta“ noch 1943 an gleicher Stelle als homosexuelles Gasthaus betrieben wurde, ist es wahrscheinlich, dass die Lokale nur für kurze Zeit als Orte gleichgeschlechtlicher Geselligkeit fungierten. Die Tradition der mehr oder weniger öffentlichen Zusammenkünfte Homosexueller war im Prag der 1930er Jahre offenbar eher an die Betreiber der Einrichtungen gebunden als an bestimmte Orte. Auch das „Batex“ blieb von diesem Schicksal nicht verschont – 1937 schrieb Jaroslav Němeček, dass es sich einst „in den Räumen befand, die heute das sehr anständige Restaurant Kotva beherbergen“, und fügte hinzu, dass „solche Einrichtungen nicht lange an einem Ort bleiben und nach ein paar Monaten ihres Bestehens umziehen“ (vgl. Kavalír 1937, S. 137).

Über gesonderte Orte, an denen sich lesbische Frauen im Prag der 1930er Jahre trafen, ist heute nur wenig bekannt. Offenbar gehörte das Restaurant „Casino“ in der Ječná 10 dazu. Indes schrieb schon 1927 der Schriftsteller Karel Ladislav Kukla (1863–1930) in seinem ebenfalls tendenziösen Werk „Konec bahna Prahy“ (Das Ende des Prager Schlamms): „Es ist ein offenes Geheimnis, dass es in Prag geheime Schönheitssalons gab und vielleicht hier und da noch gibt, in denen sich unter dem Deckmantel des Verkaufs von Modeartikeln oder Parfüm, Massagen und Maniküre sexuell monströse Damen zum Geschlechtsverkehr treffen und wo schöne ‚amphibische‘ Frauen, ihrer Kleider entkleidet, öffentlich zur Schau gestellt werden, damit sie gesehen – und gekauft werden! […] Auch die heutigen Bars dieser Art haben manchmal solche monströsen Besucherinnen aus den Kreisen armer und reicher Frauen – zweibeinigen Wesen –, die Ausflüge dorthin machen, nicht um die Dandys und alten Herren zu besehen – sondern die Bardamen … wie Männer. Die erfahreneren Bardamen erkennen solche weiblichen Freier schon auf den ersten Blick, an ihren Gesichtszügen, ihren männlichen Manieren und Geschmäckern, an ihren Grimassen und Verrenkungen und – wenn sie selbst ein wenig von perversen Neigungen befallen sind, zögern sie nicht, Liebesverträge mit ihnen abzuschließen!“

Weiterführende Literatur und Quellen:

  • Antonín Steimar ředitelem BATEXU | Antonín Steimar Geschäftsführer von BATEX, in: Nový hlas – list pro sexuální reformu, 1932 (5), Cover hinten innen [S. 17].
  • Horný, Ivan (1934): Muži v róbě | Männer in Roben, in: Nový hlas – list pro sexuální reformu (7–8), S. 106.
  • Kavalír, Jarda (1937): Tondova smrt. Výňatek z knihy „Princezna noci“, in: Kavalír, Jarda und Franta Kocourek: Oběti zvrácených. Homosexuelní a nedospělí. Praha: Zápotočný a spol., S. 121–152.
  • Kukla, Karel Ladislav (1927): Konec bahna Prahy. Praha: Praha Neznámá, S. 117 und 120.
  • Maškarní ples ve znamení lásky a paragrafu, in: Expres, 15.2.1932, S. 2.
  • Seidl, Jan (2012): Homosexualita v praxi a diskurzu trestního práva, medicíny a občanské společnosti od vydání trestního zákona z roku 1852 do přijetí trestního zákona z roku 1961 (dizertační práce). Praha: Univerzita Karlova v Praze, Fakulta humanitních studií, S. 210–218.
  • Seidl, Jan u. a. (2014): Queer Prague. A Guide to the LGBT History of the Czech Capital 1380–2000. Brno: Černá pole.

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