Kurt Hiller (1885–1972)

Foto: Kurt Hiller, Quelle: Kurt-Hiller-Gesellschaft

Veröffentlichte in „Hlas“ unter seinem Klarnamen.

Kurt Hiller wurde am 17. August 1885 in eine jüdische Familie in Berlin geboren. Nach dem Abitur, das er 1903 absolvierte, studierte er Rechtswissenschaft und Philosophie an der Berliner Universität. 1907 wurde er an der Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg mit der Dissertation „Die kriminalistische Bedeutung des Selbstmordes“ zum Dr. jur. promoviert. Die Dissertation war Teil einer rechtsphilosophischen Abhandlung unter dem Titel „Das Recht über sich selbst“, für die Hiller in Berlin keine Anerkennung gefunden hatte und in der er forderte, das Strafrecht müsse die Selbstbestimmung des Menschen stärker berücksichtigen.

Kurt Hiller war 25 Jahre lang einer der markantesten Mitarbeiter Magnus Hirschfelds im Wissenschaftlich-humanitären Komitee (WhK). Er gehörte der Organisation von 1908 bis zu ihrem von den Nationalsozialisten aufgezwungenen Ende 1933 an. In das Obmännerkollegium des WhK wurde er 1912 gewählt, und in den 1920er Jahren war er auch stellvertretender Vorsitzender der Vereinigung.

Von 1924 bis 1933 zählte Kurt Hiller ebenfalls zu den aktivsten Autoren der Zeitschrift „Die Weltbühne“. Seinen sexualpolitischen Standpunkt hatte er bereits 1908 in seiner Abhandlung „Das Recht über sich selbst“ erstmals formuliert, und zwar unter seinem Klarnamen. Nach seiner Verhaftung durch die Gestapo und der Internierung in verschiedenen Konzentrationslagern gelang ihm 1934 mit Hilfe Martin Fiedlers (1870–1946) die Flucht in die Tschechoslowakei, von wo er Anfang 1939 nach England weiterflüchtete.

Nach 1945 war Kurt Hiller als einer der wenigen noch lebenden prominenten Aktivisten und Mitarbeiter Hirschfelds einer der gefragtesten Ansprechpartner von selbsternannten Vertretern der zweiten deutschen Homosexuellenbewegung, die an das Erbe Hirschfelds und des WhK anknüpfen wollten, um eine Liberalisierung der deutschen Strafgesetzgebung zur männlichen Homosexualität zu erreichen. In dieser Zeit stand Hiller in Kontakt etwa mit dem Frankfurter Arzt Hans Giese (1920–1970), mit dem er sich allerdings schon nach kurzer Zeit überwarf, und dem ehemaligen Frankfurter Obmann des WhK Hermann Weber (1882–1955). Hiller lebte bis 1955 in London und ließ sich erst dann wieder in Deutschland nieder.

In den 1960er Jahren bemühte sich Hiller von Hamburg aus um eine Wiederbelebung des WhK, scheiterte aber an den äußeren Umständen wie der inneren Konzeptionalisierung des neuen Vereins. So lehnte er das Agieren der „Homophilen“ vor staatlichen Stellen wie dem Bundesjustizministerium, dem Bundestag oder dem Bundesverfassungsgericht ab und vermied es, seine Petition gegen den Paragrafen 175 StGB von Homosexuellen unterzeichnen zu lassen.

Kurt Hiller starb am 1. Oktober 1972 in Hamburg und wurde auf dem Friedhof in Hamburg-Ohlsdorf im Grabe seines vor ihm verstorbenen engen Freundes Walter Detlef Schultz (1910–1964) beigesetzt.

Veröffentlichungen in „Hlas“:

Würdigungen und Besprechungen in „Hlas“:

  • Matyáš, Imrich: Dr. Kurt Hiller | Dr. Kurt Hiller, in: Hlas sexuální menšiny – zájmy uznávané vědou a kulturními státy, 1931 (13), S. 5–7.
Nachlass und Gedenken:
  • Kurt Hillers brieflicher Nachlass befindet sich im Besitz der Kurt-Hiller-Gesellschaft. Ein Teilnachlass befindet sich im Deutschen Exilarchiv der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt a.M.
  • Unter Kurt Hillers früherer Wohnadresse Hähnelstraße 9 in Berlin-Friedenau erinnert seit 1990 eine Berliner Gedenktafel an ihn. In Berlin-Schöneberg wurde auf Initiative des Lesben- und Schwulenverbandes Berlin-Brandenburg Ende 2000 ebenfalls ein kleiner Park nach Hiller benannt. Seit November 2021 erinnert hier auch eine Schautafel an Leben und Werk Hillers. Die Kurt-Hiller-Gesellschaft wurde 1997 gegründet. Sie veranstaltet regelmäßig Arbeitstagungen zu Hiller, deren Ergebnisse in einer Schriftenreihe vorgelegt werden.

Weiterführende Literatur und Quellen:

  • Bockel, Rolf von (Hrsg.) (1990): Kurt Hiller. Ein Leben in Hamburg nach Jahren des Exils. Mit Beiträgen von Wolfgang Beutin, Rolf von Bockel, Martin Klaußner, Hans-Günter Klein, Harald Lützenkirchen. Hamburg: Bormann-von Bockel Verlag edition hamburg.
  • Bockel, Rolf von (1990): Kurt Hiller und die Gruppe Revolutionärer Pazifisten (1926–1933). Ein Beitrag zur Geschichte der Friedensbewegung und der Szene linker Intellektueller in der Weimarer Republik. Hamburg: edition Hamburg Bormann-Verlag.
  • Hergemöller, Bernd-Ulrich (2010): Hiller, Kurt, in: ders.: Mann für Mann. Biographisches Lexikon zur Geschichte von Freundesliebe und mannmännlicher Sexualität im deutschen Sprachraum. Teilband 1. Berlin/Münster, Lit Verlag, S. 542–544.
  • Hiller, Kurt (2022): § 175: Die Schmach des Jahrhunderts! In: Harald Lützenkirchen (Hrsg.): Kurt Hiller: § 175: Die Schmach des Jahrhunderts! Nachdruck der Schrift aus dem Jahr 1922 mit einleitenden Hinweisen und ergänzenden Materialien. Neumünster: von Bockel Verlag, S. 37–178.
  • Lützenkirchen, Harald (2022): Hiller, Kurt, in: Deutsche Biographie (NDB-online), veröffentlicht am 1.10.2022.
  • Münzner, Daniel (2015): Kurt Hiller. Der Intellektuelle als Außenseiter. Göttingen: Wallstein.
  • Wolfert, Raimund (2015): Homosexuellenpolitik in der jungen Bundesrepublik. Kurt Hiller, Hans Giese und das Frankfurter Wissenschaftlich-humanitäre Komitee (Hirschfeld-Lectures, 8). Göttingen: Wallstein.

Internet:

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