František Jelínek (1891–1959)

Foto: František Jelínek, Quelle: queermemory.eu

Veröffentlichte in „Hlas“ unter seinem Klarnamen.

František Jelínek wurde am 31. Januar 1891 in Prag geboren. Sein Vater war Polizeibeamter. Jelínek besuchte die Smíchov-Realschule, schloss diese aber nicht ab. Ein Grund hierfür dürfte der frühe Tod seiner Eltern gewesen sein, als Jelínek etwa 18 Jahre alt war. Im Jahr darauf nahm Jelínek eine Stelle als Krankenpfleger im Krankenhaus des Ordens der Barmherzigen Brüder (Řád milosrdných bratří) in Prag an. Er gab diese Stelle jedoch schon im Folgejahr wieder auf und zog nach Dresden, wo er bei seiner Schwester und deren Mann lebte, der auch sein offizieller Vormund war.

František Jelínek erhielt eine Waisenrente, bis er 24 Jahre alt war. 1916 meldete er sich als Einjährig-Freiwilliger zum Militär, wurde aber bald wieder aus der Armee entlassen, da er nach einer Untersuchung in einem Innsbrucker Lazarett für „geisteskrank“ erklärt wurde. Im Herbst 1916 trat František Jelínek in das Salzburger Priesterseminar ein, von wo er bald – wegen eines „plötzlichen Ausbruchs von Geisteskrankheit“ – in eine Nervenheilanstalt eingewiesen wurde. 1919 hielt er sich wieder in Prag auf. Er wohnte nun bei seinen Brüdern, die ihn finanziell unterstützten, und studierte Medizin an der Deutschen Fakultät der Prager Karls-Universität (Německá lékařská fakulta Univerzity Karlovy).

Im Frühjahr 1923 kam František Jelínek zum ersten Mal in Konflikt mit dem tschechoslowakischen Strafgesetz, namentlich dem § 129, der Homosexualität mit Strafe belegte. Jelínek hatte sich mit zwei jungen Männern in einen Park in Prag-Dvorce begeben, wobei es zu sexuellen Handlungen zwischen ihnen kam. Dies beobachtete indes ein Polizeibeamter, der Jelínek und einen der beiden anderen Männer festnahm, der zweite konnte rechtzeitig fliehen.

Gegen František Jelínek wurde Anklage erhoben, das eingeleitete Strafverfahren wurde aber nach Artikel 109 der Strafprozessordnung wenige Monate später eingestellt. Just um diese Zeit begann František Jelínek zusammen mit anderen – unter ihnen František Čeřovský und Ervín Klausner, der außerordentlicher Professor an der Deutschen Medizinischen Fakultät war – die erste Organisation für Homosexuelle nach deutschem Vorbild zu gründen. Das „Vědecko-humanní společnost“ bzw. „Vědecko-humanitní společnost“ (Vhs) lehnte sich im Namen wie in der Programmatik ganz an das Berliner WhK Magnus Hirschfelds an. Es wird vermutet, dass Jelínek schon vor dem Ersten Weltkrieg über mehrere Jahre in schriftlichem Kontakt mit Hirschfeld und dem Berliner WhK gestanden hatte.

František Jelínek und seine Mitstreiter ließen einen Aufruf zur Gründung des tschechoslowakischen WhK drucken, verbreiteten ihn und kamen innerhalb kurzer Zeit in den Besitz von über 2.000 Adressen von Interessenten. Der Antrag auf Anerkennung des Vereins scheiterte aber, da die tschechoslowakischen Behörden davon ausgingen, die Tätigkeiten des Vereins könnten „zur Verbreitung und Begehung von Straftaten nach § 129 des Strafgesetzbuches beitragen, ja sogar die öffentliche Gesundheit und das öffentliche Wohl gefährden“. Auch ein Einspruch beim Obersten Verwaltungsgericht in Prag wurde abgelehnt.

1924 legte František Jelínek unter dem Titel „Homosexualita ve světle vědy“ (Die Homosexualität im Lichte der Wissenschaft) ein Buch vor, das die erste tschechische monografische Abhandlung zum Thema war. Bis heute ist es eine wertvolle Quelle für das Studium des Alltagslebens tschechoslowakischer Homosexueller in der Zwischenkriegszeit, da Jelínek die wissenschaftlich behandelten Aspekte der Homosexualität immer wieder mit subjektiven Kommentaren versah. Die Themen, auf die er in seinem Buch einging, waren nach den verwendeten Kapitelüberschriften unter anderem „Das Uranierkind und seine Erziehung“, „Versuche, Homosexualität zu heilen“, „Der Perverse in Gesellschaft und Staat“ und „Uranische Prostitution und Schutzgelderpressung“.

Jelíneks Buch zeichnet sich durch einen logischen Aufbau und einen geschliffenen Schreibstil aus; von einer vermeintlichen Geisteskrankheit seines Autors legt es kein Zeugnis ab. Wie das Buch in der tschechoslowakischen Öffentlichkeit seinerzeit aufgenommen wurde, lässt sich indes noch nicht abschließend sagen. Während František Čeřovský behauptete, das Buch sei gut und informativ, es sei aber in wissenschaftlichen Kreisen ohne jegliche Resonanz untergegangen, verurteilte Hugo Bondy es scharf. Er hielt fest: „Lieber kein Buch als ein so schlechtes wie dieses.“

Über den Lebensweg František Jelíneks nach 1925 ist nur wenig bekannt. In polizeilichen Unterlagen von Mitte der 1920er Jahre hieß es, Jelínek sei „geisteskrank und außerdem homosexuell“. Die beiden „Anomalien“ seien die Ursache für sein „abenteuerliches Leben“. Dass er mit Nutzen Medizin studieren würde, wurde bezweifelt. Gleichwohl blieb Jelínek bis mindestens 1927 Student der Deutschen Medizinischen Hochschule in Prag, sein Studium hat er aber nie abgeschlossen.

1938 bemühte sich František Jelínek, die Zeitschrift „Hlas“ wiederzubeleben, doch hatte er hiermit kein Glück. 1939 wurde er wegen eines Vergehens nach § 129b des tschechoslowakischen Strafgesetzbuches erneut verhaftet, über den Ausgang eines möglichen Strafverfahrens gegen ihn ist aber nichts bekannt. Während der deutschen Besatzung der Tschechoslowakei und des Zweiten Weltkriegs musste Jelínek seine sexuelle Orientierung sorgfältig verbergen, um den viel härteren Strafen für Homosexuelle nach dem deutschen Strafgesetzbuch und einer möglichen Internierung in einem Konzentrationslager zu entgehen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg engagierte sich František Jelínek nicht mehr für die Rechte von Schwulen und Lesben und war bis an sein Lebensende als Angestellter in einem Prager Unternehmen tätig. Er starb am 17. Dezember 1959 in Prag.

Veröffentlichungen in „Hlas“:

  • Dosti nás … | Genug von uns …, in: Hlas přírody – orgán „Ligy pro sexuální reform“, 1938 (1), S. 10.

Weiterführende Literatur und Quellen:

  • Jelínek, František (1924): Homosexualita ve světle vědy. Praha: Nakladatelství „Obelisk”.
  • Seidl, Jan (2012): Homosexualita v praxi a diskurzu trestního práva, medicíny a občanské společnosti od vydání trestního zákona z roku 1852 do přijetí trestního zákona z roku 1961 (dizertační práce). Praha: Univerzita Karlova v Praze, Fakulta humanitních studií, S. 164–168.
  • Seidl, Jan u.a. (2014): Queer Prague. A Guide to the LGBT History of the Czech Capital 1380–2000. Brno: Černé pole, S. 20, 115–116.

Internet:

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