Josef Karásek (1871–1951)

Foto: Jiří Karásek ze Lvovic um 1930, Quelle: Wikipedia (de)

In „Hlas“ verwendete Pseudonyme, Kürzel oder Namensformen: Jiří Karásek ze Lvovic.

Josef Karásek wurde am 24. Januar 1871 als Sohn eines Eisenbahnschaffners und dessen Frau in Smíchov, heute ein Stadtteil von Prag, geboren. Er hatte sechs Geschwister, von denen jedoch zwei schon im Säuglingsalter verstarben. Der Junge wurde auf den Namen Josef Karásek getauft, in späteren Quellen heißt es unter anderem, er heiße „mit eigenem Namen“ Jiří Antonín Karásek, in polizeilichen Unterlagen von 1900 wird er unter den Vornamen Josef Georg geführt. Selbst verwendete Josef Karásek ab 1901 die Namensform Jiří Karásek ze Lvovic, die weite Verbreitung und Anerkennung fand. Der Zusatz „ze Lvovic/von Leowitz“ verweist auf das alte böhmische Wappengeschlecht Lvovický aus Hradec Králové (Königgrätz), dem unter anderem auch der Astrologe Cyprian von Leowitz (1514–1574) angehörte.

Nach dem Abschluss des Städtischen Gymnasiums auf der Prager Kleinseite besuchte Josef Karásek für knapp zwei Jahre die Priesterschule und zog daraufhin vorübergehend nach Bayern. 1892 trat er als Angestellter in die böhmische Post ein, und in dieser Position beförderte er unter anderem die Bahnpost nach Wien. 1921 wurde er zum Direktor der Bibliothek des tschechoslowakischen Postministeriums sowie zum Direktor des Prager Postmuseums ernannt.

Jiří Karásek ze Lvovic war aber vor allem Schriftsteller. Er trat als Autor zahlreicher Romane, Novellen und Gedichtsammlungen hervor. 1894 gründete er zusammen mit dem tschechischen Literatur- und Kunstkritiker Arnošt Procházka (1869–1925) die Zeitschrift „Moderní revue“ (Moderner Rückblick), in der hauptsächlich zeitgenössische tschechische und französische Literatur veröffentlicht und besprochen wurde. Als im Jahr darauf Oscar Wilde (1854–1900) wegen seiner Homosexualität in Großbritannien vor Gericht stand, verteidigte Karasék als erster namhafter Autor in der tschechischen Literaturgeschichte homoerotische Gefühle. Seine gleichzeitige erschienene Sammlung „Sodom“ wurde 1895 wegen angeblicher Unmoral beschlagnahmt.

Jiří Karásek ze Lvovic war einer der wichtigsten Autoren der tschechischen literarischen Moderne um die vorletzte Jahrhundertwende, die sich in der Tradition der europäischen Neoromantik aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gestaltete. Seine Werke weisen aber auch Beziehungen zum Neoklassizismus, zum Symbolismus und zur Dekadenzdichtung auf. Einige seiner Werke wurden in neuerer Zeit unter den Oberbegriff der Science-Fiction-Literatur gefasst.

Als Autor hat Jiří Karásek ze Lvovic seine eigenen Jugendwerke, die er bis 1894 hauptsächlich in Zeitschriften veröffentlich hatte, später aus seinem Werk gestrichen und ihren weiteren Abdruck untersagt. Er arbeitete als Redakteur für verschiedene Kunstzeitschriften wie „Týn“, „Literární listy“, „Okultní a spiritualistická revue“ und „Český bibliofil“. Sein Interesse am Okkultismus ließ ihn 1924 auch zum Gründungsmitglied der Martinistenloge Simeon werden. In den 1930er Jahren war er Redaktionsmitglied sowohl von „Hlas“ als auch von „Nový hlas“. Die Ausgabe 15/1931 von „Hlas“ wurde Jiří Karásek ze Lvovic aus Anlass der Verleihung des tschechoslowakischen staatlichen Literaturpreises an ihn gewidmet.

1909 wurde Jiří Karásek ze Lvovic in einen bizarren Literaturskandal verwickelt. Zu Beginn des Jahres hatten eine Reihe von böhmischen Künstlern und Politikern anonyme Briefe voller Klatsch, persönlicher Beleidigungen und Vulgaritäten und Text und Bild (Karikaturen) erhalten. Bald hieß es, Jiří Karásek ze Lvovic sei der Verfasser der Briefe. Er wurde damit skandalisiert und sein Privatleben an die Öffentlichkeit gezerrt, wobei niemals Beweise für die Anschuldigungen vorgelegt wurden. In dem Versuch, sich zu verteidigen, veröffentlichte Karasék 1910 das Pamphlet „Anonymní listy čili Aféra ‚pěti spisovatelů‘“ (Anonyme Briefe oder die Affäre der „fünf Schriftsteller“), ohne jedoch der Affäre damit ein Ende zu bereiten.

Jiří Karásek ze Lvovic war auch ein leidenschaftlicher Sammler slawischer Kunst und Grafik. Im Laufe seines Lebens trug er eine umfangreiche Privatbibliothek von knapp 50.000 Bänden und eine Sammlung mit etwa 40.000 Kunstwerken zusammen, die seinerzeit eine der umfangreichsten Sammlungen ihrer Art in Böhmen war. 1924 schenkte er die sogenannte Karásek-Galerie dem Tschechischen Sportverband Sokol (Česká obec sokolská, ČOS). Sie befindet sich seit 1954 als Teil der Gedenkstätte für nationale Literatur (Památník národního písemnictví, PNP) im Prager Stadtteil Strahov.

Jiří Karásek ze Lvovic starb am 5. März 1951 nach längerer Krankheit im Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern des heiligen Karl Borromäus (Nemocnice Milosrdných sester sv. Karla Boromejskéh) an einer Lungenentzündung.

Veröffentlichungen in „Hlas“:

als Jiří Karásek ze Lvovic

  • Proměna | Verwandlung, in: Hlas sexuální menšiny – zájmy uznávané vědou a kulturními státy [dt. Untertitel: Organ zum Schutz der sexuellen Minderheiten], 1931 (7–8), S. 2.
  • Štěstí tulákovo | Das Glück des Landstreichers, in: Hlas sexuální menšiny – zájmy uznávané vědou a kulturními státy [dt. Untertitel: Organ zum Schutz der sexuellen Minderheiten], 1931 (7–8), S. 3.
  • Oscar Wilde a „Moderní revue“ | Oscar Wilde und die „Moderní revue“, in: Hlas sexuální menšiny – zájmy uznávané vědou a kulturními státy, 1931 (15), S. 2–3.
  • Výňatky z „Romány tří magů“ | Auszüge aus „Die Romane der Heiligen Drei Könige“, in: Hlas sexuální menšiny – zájmy uznávané vědou a kulturními státy, 1931 (15), S. 6–8.
  • Výbor z básní Jiřího Karáska ze Lvovic | Eine Auswahl von Gedichten Jiří Karáseks ze Lvovic, in: Hlas sexuální menšiny – zájmy uznávané vědou a kulturními státy, 1931 (15), S. 9–10.
  • Dopis | Ein Brief, in: Hlas sexuální menšiny – zájmy uznávané vědou a kulturními státy, 1931 (16), S. 2.
  • Antická kamej. Sapfo se Louči s přítelkyní odcházeicí do Babylonie navždy | Antike Kamee. Sappho verabschiedet sich von ihrer Freundin, die für immer nach Babylonien geht, in: Nový hlas – list pro sexuální reformu, 1932 (1), S. 2.
  • Vzpomínka na Hermanna Banga | Eine Erinnerung an Herman Bang, in: Nový hlas – list pro sexuální reformu, 1932 (2), S. 9–11.
  • (Zusammen mit František Čeřovský und Eduard Weingart) Otevřený líst naši veřejnosti | Ein offener Brief an unsere Öffentlichkeit, in: Nový hlas – list pro sexuální reformu, 1932 (2), S. 1.
  • Feuilleton, in: Nový hlas – list pro sexuální reformu, 1932 (2), S. 16–17.
  • Mistr dřevorytu Fr. Kobliha | Meister des Holzschnitts P. Kobliha, in: Hlas list sexuální menšiny, 1932 (2), S. 25–26.
  • Morálni záchvat Německa | Die moralische Attacke Deutschlands, in: Nový hlas – list pro sexuální reformu, 1932 (5), S. 12–13.
  • Uryvky z novely „Paganini“ | Auszüge aus der Novelle „Paganini“, in: Hlas list sexuální menšiny, 1932 (6), S. 85–87.
  • Řeč Mistra J. Karáska ze Lvovic na valné hromadě „Přátelstvi” | Rede von Herrn J. Karásek ze Lvovic auf der Hauptversammlung der „Freundschaft”, in: Hlas list sexuální menšiny, 1932 (7), S. 103.

Würdigungen und Besprechungen in „Hlas“:

  • Vladimír Vávra: Romány tří magů | Die Romane der Heiligen Drei Könige, in: Hlas sexuální menšiny – zájmy uznávané vědou a kulturními státy, 1931 (15), S. 3–4.
  • Petr Staněk: Vinobraní – Jiřímu Karáskovi ze Lvovic | Auslese – An Jiří Karásek ze Lvovic, in: Hlas sexuální menšiny – zájmy uznávané vědou a kulturními státy, 1931 (15), S. 11.
  • Eduard Weingart: Mistru Jiřímu Karáskovi | An Meister Jiří Karásek, in: Hlas sexuální menšiny – zájmy uznávané vědou a kulturními státy, 1931 (15), S. 5.

Weiterführende Literatur und Quellen:

  • Lipanský, Jetřich [d.i. Mastík, František] (1929): Jiří Karásek ze Lvovic. Essay. Veselí p. Čepí: Edice Izmaël.
  • Seidl, Jan (2012): Homosexualita v praxi a diskurzu trestního práva, medicíny a občanské společnosti od vydání trestního zákona z roku 1852 do přijetí trestního zákona z roku 1961 (dizertační práce). Praha: Univerzita Karlova v Praze, Fakulta humanitních studií, S. 91–99.
  • Seidl, Jan u.a. (2014): Queer Prague. A Guide to the LGBT History of the Czech Capital 1380–2000. Brno: Černé pole, S. 148–149.

Internet:

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