František Čeřovský (1881–1962)

Foto: František Čeřovský, Quelle: queermemory.eu

Veröffentlichte in „Hlas“ unter seinem Klarnamen.

František Čeřovský wurde am 21. März 1881 in Bukovina u Pecky, etwa 100 km nordöstlich von Prag, geboren. Nach dem Abschluss seines Studiums an der Juristischen Fakultät der Prager Karl-Ferdinand-Universität wurde er als Referendar am Bezirksgericht in Jičín (Jitschin) unweit seines Geburtsorts tätig. Später gründete er seine eigene Kanzlei. František Čeřovský war nicht homosexuell. Er wurde Vater zweier Söhne, wobei Vladimír (1914–1990) und Miloš Čeřovský (1916–2007) später in der Anwaltskanzlei ihres Vaters arbeiteten. Ähnlich wie Magnus Hirschfeld begann er, sich für die Entkriminalisierung der Homosexualität zu engagieren, nachdem sich einer seiner Klienten, der 1913 nach dem Paragraf 129 des österreichisch-ungarischen Strafgesetzbuches zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden war, von ihm verabschiedete und sich kurz danach das Leben nahm.

František Čeřovský bewegte sich gern und häufig in Künstlerkreisen, wodurch er in Kontakt mit zahlreichen Homosexuellen kam. Wo es ging, unterstützte er sie auch rechtlich, da Homosexualität in der Tschechoslowakei damals strafbar war. Er trat in etlichen Prozessen als Verteidiger auf und engagierte sich auch publizistisch für die Entkriminalisierung der Homosexualität. Nach Angaben seines Sohnes Miloš bildete Čeřovskýs Wohnung und sein Büro so etwas wie „ein Asyl für unglückliche Menschen. Oft kam jemand nachts zu uns und behauptete, er werde erpresst, und mein Vater ließ ihn dann über Nacht bleiben.“ Imrich Matyáš verglich in einem Beitrag für „Hlas“ das Engagement František Čeřovskýs für die Homosexuellen in der Tschechoslowakei mit dem von Kurt Hiller in Deutschland.

Zu seinen Freunden zählte František Čeřovský auch den Chemiker und tschechoslowakischen Ministerialbeamten Jindřich Fleischner (1879–1922), der Obmann des Wissenschaftlich-humanitären Komitees (WhK) war und sich wegen seiner Homosexualität bei Iwan Bloch (1872–1922) in Berlin einer längeren Behandlung, wohl durch Suggestion, unterzog. Bei einer solchen Sitzung erlitt Fleischner einen Schlaganfall und starb drei Tage später im Institut für Sexualwissenschaft.

František Čeřovský war auch ein bedeutender Kunstsammler. Mit dem Aufbau seiner Sammlung begann er bereits vor dem Ersten Weltkrieg, als er den Maler Bohumil Kubišta kennenlernte, den er in einem Rechtsstreit vertrat und von ihm eines seiner Gemälde als Geschenk erhielt. Vornehmlich ab den 1920er Jahren sammelte er moderne Kunstwerke tschechischer und französischer Maler, und zu seiner Blütezeit zählte seine Sammlung etwa 150 Werke, unter ihnen auch von Marc Chagall, Amedeo Modigliani und Pablo Picasso. Nach dem Tod ihres Vaters mussten Vladimír und Miloš Čeřovský eine hohe Erbschaftssteuer entrichten, und unter dem Druck des tschechoslowakischen Staates „schenkten“ sie diesem neunzehn Werke, darunter einige Schlüsselwerke der tschechischen Moderne, um die Steuerschuld zu minimieren. Die Werke wurden teilweise später restituiert und in die Sammlungen der „Modernen Galerie“, deren Mitbegründer František Čeřovský 1933 war und deren Sammlungen er als Mitglied des Ankaufskomitees maßgeblich erweiterte.

Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts verteidigte František Čeřovský homosexuelle Mandanten, beendete diese Tätigkeit dann aber aus gesundheitlichen Gründen (Abtrennung der Netzhaut) und übergab die Aufgabe Vladimír Čeřovský, einem seiner beiden Söhne. Während der Ersten Republik und nach dem Zweiten Weltkrieg in der neuen sozialistischen tschechoslowakischen Republik wurde František Čeřovský in zwei Kommissionen zum Entwurf eines neuen Strafrechts berufen. In beiden Fällen sah es um die Angelegenheit der Homosexuellen zunächst vielversprechend aus, aber letztendlich blieben die Initiativen ohne Erfolg. Čeřovský erlebte jedoch wenigstens noch den endgültigen Fall der rechtlichen Verfolgung der Homosexuellen, als im Jahr 1961 homosexuelle Handlungen unter Erwachsenen in der Tschechoslowakei legalisiert wurden.

František Čeřovský starb am 3. Juni 1962 in Prag.

Veröffentlichungen in „Hlas“:

  • Problém homosexuality | Das Problem der Homosexualität, in: Hlas sexuální menšiny, 1931 (1), S. 2.
  • O nutnosti reformy §u 129 I. b. tr. Zákona | Über die Notwendigkeit einer Reform des § 129 I. b. des Strafgesetzbuches, in: Hlas sexuální menšiny, 1931 (2), S. 5–8.
  • O nutnosti reformy § 129 tr. z. (Pokrač.) | Über die Notwendigkeit einer Reform des § 129 StGB (Fortsetzung), in: Hlas sexuální menšiny, 1931 (3), S. 4–8.
  • O nutnosti reformy § 129 tr. z. (Pokrač.) | Über die Notwendigkeit einer Reform des § 129 des Strafgesetzbuches (Fortsetzung), in: Hlas sexuální menšiny, 1931 (4), S. 9.
  • O nutnosti reformy § 129 tr. z. (Pokračování) | Über die Notwendigkeit einer Reform des § 129 des Strafgesetzbuches (Fortsetzung), in: Hlas sexuální menšiny, 1931 (5–6), S. 12–13.
  • O nutnosti reformy § 129 tr. z. (Dokončení) | Über die Notwendigkeit der Reform des § 129 des Strafgesetzbuches (Schluss), in: Hlas sexuální menšiny, 1931 (7–8), S. 12–14.
  • Zákon a soudně-Iékarská věda | Recht und Rechtswissenschaft, in: Hlas sexuální menšiny, 1931 (10), S. 3–4.
  • Vážné slovo k těm, jichž se týká | Ein ernstes Wort an alle, die es angeht, in: Hlas sexuální menšiny, 1931 (11), S. 1.
  • Praktické případy a doklady o absurdnostech při stíhání a trestání homosexuality | Praktische Fälle und Beweise für die Absurdität der Verfolgung und Bestrafung der Homosexualität, in: Hlas sexuální menšiny, 1931 (16), S. 4–6.
  • Absurdnosti při stihani a trestání homosexuality podle praktických připadů (Pokračováni) | Absurditäten bei der Verfolgung und Bestrafung von Homosexualität anhand von praktischen Fällen (Fortsetzung), in: Nový hlas – list pro sexuální reformu, 1932 (1), S. 4–5.
  • (Zusammen mit Jiří Karásek ze Lvovic und Eduard Weingart) Otevřený líst naši veřejnosti | Ein offener Brief an unsere Öffentlichkeit, in: Nový hlas – list pro sexuální reformu, 1932 (2), S. 1.
  • Absurdnosti při stihani a trestání homosexuality podle praktických připadů (Pokračováni.) | Absurditäten bei der Verfolgung und Bestrafung von Homosexualität anhand von praktischen Fällen (Forts.), in: Nový hlas – list pro sexuální reformu, 1932 (2), S. 2–3.
  • Udavačství-vyděračství | Denunziation – Erpressung, in: Hlas list sexuální menšiny, 1932 (2), S. 21–23.
  • Praktické připady a doklady o absurdnostech při stíhaní a trestaní homosexuelních. 2. Udávání z omylu, předsudku a neinformovanosti | Praktische Fälle und Beweise für die Absurditäten bei der Verfolgung und Bestrafung von Homosexuellen. 2. Denunziation aufgrund von Irrtum, Vorurteilen und Unwissenheit, in: Hlas list sexuální menšiny, 1932 (3), S. 35–38.
  • Absurdnosti při stíhání a trestání homosexuality dle praktických případů (Pokračování) | Absurditäten bei der Verfolgung und Bestrafung von Homosexualität anhand von praktischen Fällen (Fortsetzung), in: Hlas list sexuální menšiny, 1932 (7), S. 98–102.
  • Absurdnosti při stiháni homosexuálnich | Absurditäten bei der Strafverfolgung von Homosexuellen, in: Nový hlas – list pro sexuální reformu, 1932 (7–8), S. 1–3.
  • Absurdnosti při stiháni homosexuálnich | Absurditäten bei der Strafverfolgung von Homosexuellen, in: Nový hlas – list pro sexuální reformu, 1933 (2), S. 17–18.
  • Dokumentární satisfakce | Dokumentarische Zufriedenstellung, in: Nový hlas – list pro sexuální reformu, 1934 (10), S. 129.
  • Nutnost reformy trestního zákona | Die Notwendigkeit einer Reform des Strafrechts, in: Nový hlas – list pro sexuální reformu, 1934 (7–8), S. 89–92.
  • Mobilisace ducha | Mobilisierung des Geistes, in: Hlas list sexuální menšiny, 1936 (1), S. 1.
  • Bludná cesta reformy § 129 tr. z. | Der teuflische Weg der Reform § 129 tr. z., in: Hlas list sexuální menšiny, 1936 (2), S. 16–17.
  • § 129. I. b. trestního zákona v praxi | § 129 I. b. des Strafgesetzbuches in der Praxis, in: Hlas list sexuální menšiny, 1936 (3–4), S. S. 25.
  • § 129. I. b. trestního zákona v praxi | § 129 I. b. des Strafgesetzbuches in der Praxis, in: Hlas list sexuální menšiny, 1936 (5), S. 41–42.
  • První úkely „Ligy pro sexuální reformu“ | Die ersten Aufgaben der „Liga für Sexualreform“, in: Hlas list sexuální menšiny, 1936 (6), S. 53.
  • Pokoj lidem dobré vůle | Friede den Menschen guten Willens, in: Hlas list sexuální menšiny, 1937 (1), S. 1.
  • Boj o reformu trest zákona (§ 129 I. b tr. z.) | Der Kampf um die Reform des Strafrechts (§ 129 I. b des Strafgesetzbuchs), in: Hlas přírody – orgán „Ligy pro sexuální reform“, 1938 (1), S. 3–4.

Weiterführende Literatur und Quellen:

  • Matyáš, Imrich: Dr. Kurt Hiller | Dr. Kurt Hiller, in: Hlas sexuální menšiny – zájmy uznávané vědou a kulturními státy, 1931 (13), S. 5–7.
  • Schindler, Franz (2003): František Čeřovský, otec boje za dekrimininalizaci homosexuálů v Československu. In: Souvislosti Nr. 4, S. 70–79.
  • Seidl, Jan (2012): Homosexualita v praxi a diskurzu trestního práva, medicíny a občanské společnosti od vydání trestního zákona z roku 1852 do přijetí trestního zákona z roku 1961 (dizertační práce). Praha: Univerzita Karlova v Praze, Fakulta humanitních studií, S. 130–133.
  • Seidl, Jan u.a. (2012): Od žaláře k oltáři: emancipace homosexuality v českých zemích od roku 1867 do současnosti. Brno: Host, S. 118ff.
  • Seidl, Jan u.a. (2014): Queer Prague. A Guide to the LGBT History of the Czech Capital 1380–2000. Brno: Černé pole, S. 117–118.

Internet:

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